Antivirale Strategien: Wirk- und Impfstoffe

Schlüsselbereich 2

Koordination: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI)

Eine zentrale Herausforderung neu-auftretender Virusepidemien ist die Unvorhersehbarkeit des Erregers sowie dessen Eigenschaften. Deswegen ist die Entwicklung antiviraler Strategien mit einer breiten Wirksamkeit gegen diverse virale Erreger aus Virusfamilien mit hohem Risiko für die Entstehung einer Pandemie von entscheidender Bedeutung. Zudem ist die Bildung nachhaltiger Kapazitäten für die schnelle Qualifizierung von Präventions- bzw. Therapiestrategien im Falle einer neuen Pandemie essentiell.

Forschungsziele

In diesem Bereich wird auf niedermolekulare Wirkstoffe, auf therapeutische Antikörper und auf die Erforschung und Entwicklung Virusvektor-basierter SARS-CoV-2-Impfstoffe fokussiert.

Niedermolekulare Wirkstoffe

Zugelassene, direkt antiviral wirkende Medikamente blockieren meistens die Funktion viruseigener Enzyme, die eine essentielle Rolle bei der Virusvermehrung haben. Insbesondere bei hochmutierenden RNA-Viren werden Wirkstoffe gegen unterschiedliche virale Ziele kombiniert, um die Resistenzbarriere zu erhöhen und den Verlust der Therapiewirksamkeit zu vermeiden. In den vergangenen Jahren war die Entwicklung von Hemmstoffen viraler Proteasen und Polymerasen besonders erfolgreich, mit zahlreichen zugelassenen Wirkstoffen. SARS-CoV-2 verfügt über eine RNA-abhängige RNA-Polymerase sowie über zwei Proteasen, welche für die Prozessierung seines Polyproteins in die funktionellen Proteinabschnitte essentiell sind und deren Struktur, zum Teil mit Beteiligung Braunschweiger Wissenschaftler, aufgeklärt wurde. Es sollen strukturbasierte Ansätze, wie beispielsweise in silico Screening und Kristallographie genutzt und mit enzymatischen Hochdurchsatz-Assays und zellulären antiviralen Assays kombiniert werden, um maßgeschneiderte Wirkstoffe gegen diese wichtigen viralen Ziele zu entwickeln. Dies beinhaltet Wirkstoffforschung und -entwicklung gegen die jeweiligen aktiven Zentren der Enzyme sowie auch die Blockade entscheidender Protein-Protein-Wechselwirkungen und die maßgeschneiderte Entwicklung nukleosidischer Polymerase-Hemmstoffe.

Viren können sich ohne eine Wirtszelle nicht vermehren und sind von der Nutzung zellulärer Cofaktoren abhängig. Hierbei verwenden Viren mit zum Teil vergleichsweise geringer Verwandtschaft dieselben zellulären Faktoren, so dass solche Wirtsfaktoren als attraktive Ziele für die Entwicklung von Medikamenten mit einem breiten antiviralen Wirkspektrum hervortreten. Bekannte Beispiele sind bereits im klinischen Einsatz befindliche Inhibitoren von zellulären Kinasen, welche für die Virusreplikation von Bedeutung sind, sowie Inhibitoren von zellulären Proteinen, welche bei der Faltung von Proteinkomplexen eine essentielle Rolle spielen, wie z.B. Cyclophilin-Inihibitoren (nicht immunsupprimierende Cyclosporine). COFONI fördert Grundlagenforschung zur Struktur und Funktionsweise zellulärer Faktoren im Kontext der Coronavirus-Replikation. Ein besonderer Fokus liegt hier auf der Identifizierung und Charakterisierung von Wirtsfaktoren, die von unterschiedlichen Coronaviren bzw. auch von Viren anderer Familien genutzt werden. Ziel ist es, die Virusinteraktionen mit diesen Faktoren aufzuklären und Strategien zur gezielten Störung dieses Zusammenwirkens zu entwickeln.

Therapeutische Antikörper

Antikörper stellen eine einzigartige und hochgradig adaptive Option für die Entwicklung maßgeschneiderter Therapeutika dar. Die natürliche Ausheilung viraler Infektionen bzw. der effektive Schutz vor einer Neu-Infektion wird entscheidend von hochwirksamen virus-neutralisierenden Antikörpern unterstützt. Die gezielte Entwicklung therapeutischer Antikörper nutzt Immunzellbibliotheken aus rekonvaleszenten Patient*innen und verwendet unterschiedliche Selektionsverfahren (z.B. Einzelzell-Sequenzierung, Phage Display) zur Identifizierung wirkungsvoller Antikörper. COFONI fördert  die präklinische Entwicklung von humanen oder humanisierten Antikörpern in geeigneten komplexen Primärzellmodellen und Tiermodellen. Ebenso unterstützt COFONI die Entwicklung neuer Antikörper-Screening Verfahren, die gezielte Optimierung von Antikörper-Effektor Funktionen anhand strukturbasierter Ansätze bzw. durch Modifikation der Fc-Bereiche, sowie auch die Humanisierung hochwirksamer Antikörper aus nicht humanen Antikörper Bibliotheken. 

Impfstoffe

Im Bereich Impfstoffe wird zurzeit verstärkt auf die Entwicklung Vektor- und RNA-basierter Impfstoffkandidaten gesetzt, da diese schnell herzustellen sind und bereits entscheidende Beiträge zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie geleistet haben. Gefördert wird die präklinische Entwicklung und Validierung unterschiedlicher Impfstrategien (Vektoren, Nukleinsäuren, Proteine und deren Kombinationen) in prädiktiven Tiermodellen. Diese beinhaltet auch die Erprobung innovativer computergestützter Verfahren zur Entwicklung optimierter Antigene für die Induktion breit protektiver anti-Coronavirus Immunität. Ebenfalls im Fokus dieser Fördermaßnahme stehen Untersuchungen zu den Mechanismen der Vakzine-induzierten Protektion beziehungsweise möglicher Immun-Enhancement Prozesse, die bei viraler Reinfektion komplizierte Infektionsverläufe verursachen könnten.

Wirkstoffforschung auf die Entwicklung von Breitband-Coronavirus-Wirkstoffen

Im Kontext des aktuellen Ausbruches haben die COFONI-Partner wesentliche Beiträge zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie geleistet. Im Sinne einer schnellen Pandemie-Reaktion im Bereich antiviraler Wirkstoffe und gefördert durch das Land Niedersachsen und das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) hat das HZI wesentliche Teile seiner Wirkstoffforschung auf die Entwicklung von Breitband-Coronavirus-Wirkstoffen ausgerichtet. Durch die schnelle Ertüchtigung der S3-Kapazitäten am HZI und der MHH sowie durch die sofortige Bereitstellung proprietärer Wirkstoffbanken des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), des HZI sowie der MHH wurde direkt eine Screening-Kampagne niedermolekularer Wirkstoffe gegen Coronaviren initiiert. Aufgrund einer internationalen Kooperation des TWINCORE mit der Scripps University (USA) wurde zudem die weltweit größte Sammlung zugelassener Wirkstoffe bzw. Moleküle in das Screening einbezogen. Ebenso besteht Zugang zur EU OPENSCREEN-Bibliothek.

Das interdisziplinäre Forscherteam am HZI (Prof. Thomas Pietschmann, Prof. Ulrich Kalinke, Prof. Mark Brönstrup, Prof. Ursula Bilitewski, Prof. Anna Hirsch) hat mehr als 45.000 Verbindungen profiliert. Der Ausbau der S3-Kapazitäten am HZI ermöglicht, Hunderte von Wirkstoffen im wochentakt auf SARS-CoV-2 antivirale Aktivität zu testen. 

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Aufgrund der Federführung des HZI in der Wirkstoffforschung des DZIF und der Widmung weiter Teile seines Infektionsforschungsprogramms ausschließlich für die Wirkstoffforschung, nimmt das HZI eine Schlüsselrolle bei der akademischen Antiinfektiva-Forschung in Deutschland ein. Im Rahmen dieses Verbundes wird diese Rolle durch die Beiträge des TWINCORE zur Wirkstoffforschung im Bereich von RNA-Viren sowie durch die Koordination der DZIF translationalen Infrastruktur für antivirale Wirkstoffe durch die MHH weiter gestärkt, so dass der Verbund exzellente Voraussetzungen für die Entwicklung von Wirkstoffen bietet. 

Gleichzeitig hat die Verankerung der MHH in das DZIF dazu geführt, dass Wissenschaftler*innen der MHH und der TiHo zusammenarbeiten, um vom DZIF geförderte Vakzine-Kandidaten präklinisch in Tiermodellen zu evaluieren.

Erfolge im Bereich antiinfektiver Strategien

COFONI-Partner haben bereits in frühen Stadien der SARS-CoV-2-Pandemie wichtige wissenschaftliche Erfolge im Bereich antiinfektiver Strategien erzielen können. Exemplarisch sei genannt, dass Prof. Pöhlmann und Kollegen (DPZ Göttingen) wesentliche Aspekte des SARS-CoV-2-Zelleintritts aufklären, ACE2 als Rezeptor identifizieren und einen wichtigen Antikörper-Neutralisierungs-Test entwickeln konnten. Forscher*innen der TiHo haben humane monoklonale Antikörper identifiziert, die nicht nur SARS-CoV-2 sondern auch SARS-CoV-1 neutralisieren. Prof. Dirk Görlich und Dr. Volker Cordes am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen stellen therapeutische SARS-CoV-2-Nanobodies aus Alpakas her. Im Gegensatz zu Antikörpern bestehen Nanobodies aus nur einer Polypeptidkette, was vielfache Vorteile bei der Herstellung und Handhabung bietet. In Zusammenarbeit mit Partnern der TU-Braunschweig und den Firmen YUMAB und CORAT Therapeutics hat das HZI (Prof. Luka Cicin-Sain) mehrere Antikörper mit starker antiviraler Wirkung identifiziert. Der vielversprechendste Kandidat COR-101 befindet sich in klinischer Entwicklung. Schließlich haben HZI Wissenschaftler*innen zur Etablierung einer neuen Leitstruktur gegen die SARS-CoV-2-Hauptprotease beigetragen und unter Federführung Göttinger Wissenschaftler*innen wurde die Struktur der viralen RNA-Polymerase aufgeklärt. Prof. Reinhold Förster konnte zeigen, dass das Wiedererscheinen von Effektor-T-Zellen im Blut mit einer Rekonvaleszenz der Patient*innen einhergeht.

Durch diese wissenschaftlichen Erfolge im Bereich der Identifizierung und Charakterisierung entscheidender Therapieziele sowie durch essenzielle Kapazitätsbildung und die Anbindung an das nationale Netzwerk des DZIF schafft die integrierende Wirkung des Forschungsnetzwerks COFONI besondere Chancen für die Entwicklung von Wirk- und Impfstoffen gegen Coronaviren.

Unsere Projekte im Schlüsselbereich 2 – Antivirale Strategien

Die aktuellen Schwerpunkte der COFONI-Forschungstätigkeiten werden durch Einzelprojekte, die direkt über COFONI-Mittel finanziert werden, definiert. Von diesen fallen elf (Stand: Mai 2022) in den Schlüsselbereich 2 („Antivirale Strategien“).

CRISPR/Cas13-vermittelte antivirale Therapie gegen SARS-CoV-2 und seine Varianten

Standorte: UMG, DPZ, TiHo

Projektleiterin: Prof. Dr. med. Elisabeth Zeisberg

In-vivo-Tests von humanen monoklonalen Antikörpern in einem Hamstermodell

Standorte: TiHo, TWINCORE

Projektleiter: Prof. Dr. Albert Osterhaus

LISE – Langfristige Immunantwort älterer Individuen gegen SARS-CoV-2

Standorte: HZI, MHH, CiiM, DPZ

Projektleiter: Prof. Dr. Jochen Hühn

Nsp15-Inhibitoren zur Verhinderung künftiger viraler Pandemien (Nsp15 VIPA)

Standorte: LUH, HZI, TWINCORE, TiHo

Projektleiter: Prof. Dr. Oliver Plettenburg

Präklinische Entwicklung eines monoklonalen Antikörpers gegen SARS-CoV-2

Standorte: TWINCORE, MHH, DPZ

Projektleiter: Prof. Dr. Ulrich Kalinke

SARS-CoV-2-Antigenkartierung für zukünftige COVID-19 Impfstoffzusammensetzung

Standorte: TiHo, DPZ

Projektleiter*in: Prof. Dr. Albert Osterhaus, Dr. Imke Steffen

Spürhunde als Screening-Methode für SARS-CoV-2-Infektionen

Standorte: TiHo, MHH

Projektleiter: Prof. Dr. Holger A. Volk

Kontakt


Prof. Dr. Mark Brönstrup
Abteilungsleiter Chemische Biologie
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Feodor-Lynen-Str. 7-9
30625 Hannover
Mark.Broenstrup(at)helmholtz-hzi.de

Copyright: HZI/János Krüger


Prof. Dr. Thomas Pietschmann
Leiter Abteilung Experimentelle Virologie
TWINCORE –Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Feodor-Lynen-Str. 7-9
30625 Hannover
Thomas.Pietschmann(at)twincore.de

Copyright: Prof. Dr. Thomas Pietschmann

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