Pathophysiologie: Immunmodulation und -kontrolle

Schlüsselbereich 4

Koordination: Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo)

Die bereits erhobenen Daten zur SARS-CoV-Pathogenese im Menschen lassen vermuten, dass neben den direkten durch das Virus hervorgerufenen Schäden, auch die SARS-CoV-2 spezifische Immunantwort eine wichtige Rolle bei der COVID-19 Erkrankung spielt. Hierbei kommt es dann infolge von anhaltenden angeborenen und adaptiven Immunantworten in der Lunge zu einer anhaltenden Entzündung, zu Gewebsschäden und auch zur Störung der lungenspezifischen Reparaturmechanismen und final zum Multiorganversagen. Um dieses komplexe Infektionsgeschehen besser zu verstehen, ist es erforderlich, eine der COVID-19 entsprechende Erkrankung in Tiermodellen nachzuahmen und die damit verbundenen immunpathologischen und pathophysiologischen Prozesse zu identifizieren. Dies erfordert eine enge, interdisziplinäre Analyse dieser Vorgänge unter pathologischen, immunologischen und virologischen Fragestellungen. Im nächsten Schritt ist es dann wichtig, die so gewonnenen Erkenntnisse mit den klinischen Daten aus dem Menschen zu korrelieren. 

Studien zur Pathogenese, Immunpathogenese und Zelltropismus

Sowohl die Mechanismen der angeborenen als auch der erworbenen Immunität gegenüber Pathogenen und insbesondere gegenüber Viren wie auch Studien zur Pathogenese, Immunpathogenese und Zelltropismus bilden an der TiHo den Hauptforschungsschwerpunkt. Mehrere der beteiligten Arbeitsgruppen an der TiHo besitzen eine jahrelange Expertise auf dem Gebiet der viralen Molekularbiologie, infektionsbedingter Veränderungen der Lunge sowie Virus-bedingter humoraler und zellulärer Immunmodulation. Insbesondere die Expertise bezüglich Pathogenese, Zelltropismus und Interventionsstrategien mehrerer Gruppen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-1 und MERS-Coronavirus-Forschung gewährleistet eine fokussierte Umsetzung der Zielsetzungen dieses Schlüsselbereiches im Zusammenarbeit mit den weiteren beteiligten Partnereinrichtungen in Niedersachsen. 

Ein besseres Verständnis zur Immunpathogenese und der Pathophysiologie der COVID-19 Erkrankung bildet schließlich die Basis für die Entwicklung von neuen therapeutischen und präventiven Strategien aber auch für die direkte klinische Versorgung von COVID-19 Patient*innen.

Forschungsziele

Der Fokus der in diesem Schlüsselbereich angesiedelten Forschungsprojekte ist, die mit einer SARS-CoV-2-Infektion assoziierten Pathomechanismen sowie die immunologischen Prozesse zu entschlüsseln. Diese sollen miteinander korreliert und in einen direkten Zusammenhang mit den klinischen Daten beim Menschen gebracht werden. Dieser Schlüsselbereich unterteilt sich in die Bereiche Immunologie und Pathologie. 

Immunologie

Im Bereich Immunologie werden die angeborenen und adaptiven Immunantworten nach einer mild- oder schwer-verlaufenden SARS-CoV-2-Infektion im Tiermodell und auch im Menschen detailliert analysiert. Dazu gehört die Charakterisierung von Entzündungsreaktionen, die als Antwort des angeborenen Immunsystems auf die SARS-CoV-2-Infektion aktiviert werden. Zusätzlich werden auch die adaptiven Immunkomponenten, also SARS-CoV-2-spezifische Antikörper und zelluläre T-Zellantworten inklusive NK-Zellen, untersucht. Dabei werden insbesondere die lokal in der Lunge ablaufenden Immunantworten charakterisiert und mit den in der Lunge identifizierten pathologischen Veränderungen assoziiert. Hierzu gehört auch, diese Prozesse unter verschiedenen pathophysiologischen Bedingungen, wie z.B. dem Gehalt an Sauerstoff in der Lunge und anderen Geweben, zu untersuchen. 

Die Ursachen für die extrem unterschiedlichen Verläufe einer SARS-CoV-2-Infektion scheinen aufgrund der klinischen Beobachtungen, dass schwere Verläufe nicht nur bei älteren Personen bzw. Personen mit Vorerkrankungen auftreten, die intensivmedizinisch versorgt werden müssen, vielfältige Ursachen zu haben. Vor allem die ungewöhnlich dynamischen Verläufe während der vergleichsweise langen Intensivbehandlung schwer erkrankter Patient*innen sprechen neben möglichen genetischen Unterschieden für eine individuelle Interaktion zwischen dem Immunsystem und dem infizierten Lungengewebe. Diese Interaktion scheint sich dabei von einer initial hilfreichen Abwehrreaktion, u.a. durch Elimination infizierter Typ-I-Epithelzellen und Induktion SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper, in eine überschießende Immunreaktion weiterzuentwickeln, die als Immunpathologie bezeichnet wird. Eine Immunpathologie entwickelt sich möglicherweise dann, wenn die virale Infektion nicht lokal im Hals-Rachenraum bzw. dem Bronchialtrakt kontrolliert werden kann und sich tiefer in die Lunge zu den Alveolen ausbreitet. Dort akkumulieren möglicherweise direkte zytopathische Effekte der SARS-CoV-2-infizierten Zellen und deren Zytokin- und Chemokinfreisetzung, dem sog. Zytokinsturm, mit Immunreaktionen, also spezifischen T-Zellen und Antikörpern, und führen zu der schweren Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Darüber hinaus könnte dieses Szenario zu einer Zerstörung der Alveoli führen, sodass sich SARS-CoV-2 ggf. über die Kapillaren weiter im Körper ausbreiten könnte. 

Pathologie

Genese und Ausmaß der Lungen-Pathologie werden bei COVID-19-Patient*innen genauer bestimmt. Hierbei werden auch die potenziell schädlichen Auswirkungen von SARS-CoV-2-spezifischen Immunantworten evaluiert. Aus Publikationen ist bekannt, dass bei den Patient*innen häufig „Kollateralschäden“ wie Thrombosen, Mikroangiopathie, Neuropathien, Herz-Kreislaufprobleme bis hin zu Diabetes auftreten. Daher ist es sinnvoll, die verschiedenen Stadien der Erkrankung auch hinsichtlich der Immunpathologie im Sinne der Interaktion zwischen Immunzellen und Lungengewebe zu untersuchen und den sog. Zytokinsturm nicht nur in Bezug auf die üblichen Zytokine zu definieren, sondern in Richtung systemischer Signalwege der Epithel- und Endothelfunktion zu erweitern. Es gibt sogar Hinweise, dass zumindest bei einem Teil der Patient*innen autoimmun-ähnliche Kollateralschäden ausgelöst werden, deren Grundlagen erforscht werden sollten, um eine bessere Behandlung und Nachsorge zu erzielen.

Die im COFONI-Konsortium vorhandenen Expertisen ermöglichen durch die Bündelung der verschiedenen Bereiche eine interdisziplinäre Aufarbeitung der oben genannten Fragestellungen. Darüber hinaus wird in diesem Schlüsselbereich auch die Interaktion eines solchen immunpathologischen Geschehens mit präventiven Strategien, wie z.B. Impfstoffen, untersucht. Hierbei werden zum einen verschiedene Impfstoffkandidaten unter verschiedenen Infektionsbedingungen sowie pathophysiologischen Einflüssen getestet. Zwei wichtige pathophysiologische Faktoren, die in diesem Schlüsselbereich im Fokus stehen, sind der Einfluss von Alter und Vorerkrankung auf die klinische Manifestation der COVID-19-Erkrankung. Hier ist es interessant zu untersuchen, wie die Immunantwort unter solchen besonderen physiologischen Bedingungen mit der Ausprägung der pathologischen Veränderungen und der damit verbundenen Klinik korreliert.

Unsere Projekte aus Schlüsselbereich 4 – Pathophysiologie

Auswirkungen der SARS-CoV-2-Infektion auf die molekulare Entstehung von Neurodegeneration

Standorte: MHH, TWINCORE, UMG

Projektleiterin: PD Dr. med. Franziska Hopfner

Die Rolle des Lungenmikrobioms bei SARS-CoV-2-Infektionen

Standorte: UMG, TiHo

Projektleiter*in: Prof. Dr. Dr. Francesca Odoardi, Prof. Dr. Alexander Flügel

Kontakt

Prof. Dr. Maren von Köckritz-Blickwede
Leitung wiss. Administration und Biosicherheit, Research Center for Emerging Infections (RIZ)
Leitung AG Biochemie der Infektionen
Institut für Biochemie
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Bünteweg 17
30559 Hannover
Maren.von.Koeckritz-Blickwede(at)tihohannover.de

Copyright: Prof. Dr. Maren von Köckritz-Blickwede

Prof. Dr. Asisa Volz
Institut für Virologie
Zentrum für Infektionsmedizin
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Bünteweg 17
30559 Hannover
Asisa.Volz(at)tiho-hannover.de

Copyright: Prof. Dr. Asisa Volz

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